K. L. Reinhold (1757-1823) gehört in die Epoche der Philosophie Kants und des deutschen Idealismus. Nach seiner Ausbildung zum katholischen Priester in Wien kommt er 1783 ins protestantische Deutschland. Im Zuge seiner Verwicklung in die Kant-Herder-Kontroverse entdeckt R. 1785 die Philosophie Kants und wird zu einem der einflussreichsten Kant-Interpreten. 1787 erhält er eine Professur für Philosophie in Jena und entwickelt seine Theorie des Vorstellungsvermögens (nach 1790 System der Elementarphilosophie), welche Fichtes und Schellings Systementwürfe in entscheidender Weise prägt. Ab 1794 unterrichtet Reinhold an der Universität Kiel, wo er ein System des Logischen Realismus ausbildet. In der späten Kieler Zeit wendet er sich dem sprachphilosophischen Unternehmen der Synonymik zu. Reinhold gilt heute vor allem als scharfsinniger Verteidiger der Kritischen Philosophie Kants und Begründer des deutschen Idealismus. Mit der Theorie des Vorstellungsvermögens nimmt er allerdings auch Einsichten des Neukantianismus sowie der Phänomenologie Husserls vorweg. Mit den Arbeiten zur Sprachphilosophie schlägt er zudem einen Weg ein, der zu Bolzano und Frege führt.
Seit gut drei Jahrzehnten wird Reinholds Bedeutung insbesondere für die Philosophie Kants und des deutschen Idealismus zunehmend wahrgenommen und gewürdigt. Seit 1980 sind wichtige Forschungsvorhaben initiiert worden: Neben der kritischen Reinhold-Korrespondenzausgabe unter R. Lauth beschäftigten sich D. Henrichs Jenaer Projekt zum Frühkantianismus und M. Franks Forschungen zur Frühromantik in wesentlichen Teilen mit Reinhold. Auf Schweizer Seite wurde durch Arbeiten von meiner Seite (Habilitationsschrift 1995) und von A. Lazzari (Dissertation 2000) ein beachtlicher Beitrag zur Reinhold-Interpretation geleistet. Dem wachsenden Interesse an Reinhold stand bislang die ungenügende Editionslage entgegen: Ein Grossteil des Werks ist nur in den Originaldrucken verfügbar und selbst die Hauptwerke liegen bis auf wenige Ausnahmen nicht in kritischen Editionen vor. Mit der in Angriff genommenen Ausgabe der Gesammelten Schriften Reinholds wird deshalb einem dringenden Bedürfnis der Reinhold-Forschung Rechnung getragen.